An die Verstummten O, der Wahnsinn der großen Stadt, da am Abend An schwarzer Mauer verkrüppelte Bäume starren, Aus silberner Maske der Geist des Bösen schaut; Licht mit magnetischer Geißel die steinerne Nacht verdrängt. O, das versunkene Läuten der Abendglocken. Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebärt. Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne des Besessenen, Purpurne Seuche, Hunger, der grüne Augen zerbricht. O, das gräßliche Lachen des Golds. Aber stille blutet in dunkler Höhle stummere Menschheit, Fügt aus harten Metallen das erlösende Haupt. (* 03. 02. 1887, † 03. 11. 1914) Bewertung: 4 /5 bei 2 Stimmen Kommentare
O, der Wahnsinn der groben Stadt, da am Abend An schwarzer Mauer verkruppelte Baume starren, Aus silberner Maske der Geist des Bosen schaut; Licht mit magnetischer Geibel die steinerne Nacht verdrangt. O, das versunkene Lauten der Abendglocken. Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebart. Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne des Besessenen, Purpurne Seuche, Hunger, der grune Augen zerbricht. O, das grabliche Lachen des Golds. Aber stille blutet in dunkler Hohle stummere Menschheit, Fugt aus harten Metallen das erlosende Haupt. An die Verstummten - GEORG TRAKL
Dadurch dass diese Menschen bereits "stille bluten", ist die Erwähnung, dass diese auch noch "stumm" seien zudem "doppelt-gemoppelt"; man spricht hier auch von einer "Tautologie 11 ". Die in Vers 10 erwähnte Menschheit fügt im 11. und letzten Vers "aus harten Metallen das erlösende Haupt". Das Gedicht findet in einer Erlösung und einem Neuanfang seinen Höhepunkt und Abschluss. Wie diese Erlösung konkret aussieht, ist mir allerdings nicht klar. Mit einem "Haupt" ist meist der Kopf gemeint, es kann sich allerdings auch um einen Führer oder eine leitende Person handeln. Der bestimmte Artikel "das Haupt" weist darauf hin, dass es sich hier um ein ganz bestimmtes Haupt handelt. Bleibt also zu erwähnen, dass es hier falsch wäre, eine Interpretation über den Plural ("Häupter") herzuleiten. Trakl arbeitet hier insgesamt sehr viel mit Chiffren 12, die es für den Leser sehr schwer machen, die genaue Bedeutung seines Werkes zu erschließen; Trakls Gedicht grenzt an die hermetische Lyrik 13 an, auch dort ist die Chiffre ein zentrales Werkzeug.
Die "schwarzen Mauern" erinnern an verschmutzte Häusermauern, wie sie noch heute noch in Städten im Ruhrgebiet in denen Kohle abgebaut wurde zu sehen ist. Hinter diesen Mauern schirmen sich Menschen von anderen ab und schaffen so Anonymität und Gefühlskälte. Die Symbolik der Farbe Schwarz forciert dabei noch diese negativen Eindrücke. Vor den Mauern stehen "verkrüppelte Bäume", Bäume, die eigentlich das Stadtbild verschönern sollen und normalerweise bei dem Leser Assoziationen wie Geborgenheit und Schutz wecken. Aber diese Bäume "starren", eine eindeutige Personifikation, wirken dadurch auf den Leser bedrohlich und entsprechen damit nicht dem typischen Ideal eines Baumes, denn sie sind verkrüppelt und so werden die üblichen Erwartungen enttäuscht. Dazu schaut auch noch "Aus silberner Maske der Geist des Bösen" auf den Menschen. Die "silberne Maske" könnten die großen Hochhäuser, wie Bürogebäude oder Bankgebäude sein, die mit ihren silbern erscheinenden Fassaden der Stadt ihre Pracht verleihen.